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Chantal und Heinz-Rüdiger

Die etwas andere Biographie zweier Bogenschützen

Eine kurzweilige, wenn auch lange Geschichte eines kurzen Lebens mit dem Bogensport. Verfasser: Das wahre Leben.

Ein Schelm, der
Böses dabei denkt

Die Geschichte, die die Antworten auf nahezu alle Fragen eines Einsteigers und sicher einiger Fortgeschrittener gibt.

Namen, Personen, Orte und Geschehen sind nicht immer rein zufällig gewählt. Sollte sich jemand hier wiedererkennen, freuen wir uns auf ein Feedback.


 

Prolog

Es waren einmal zwei Königskinder Chantal und Heinz-Rüdiger und sie sind es immer noch. Sie wohnten irgendwo in einer deutschen Provinzgegend. Landschaftlich schön, aber weitab von der nächsten Großstadt. Beide ein wenig gestresst von ihren Berufen und auf der Suche nach einem Ausgleich zum Entspannen. Und es sollte in der Nähe sein. Sport sollte es nicht sein, nichts Anstrengendes. Bridge, Skat und Schafkopf auch nicht.

Da hatte Chantal eine Eingebung (=Google). Bogenschießen! Das ging ihr auch früher schon mal durch den Kopf. Und siehe da, einen Schützenverein mit Bogensportabteilung gab es auch noch am Ort. Bingo ;-))))

Außerdem war Chantal ein wildes Kind. Puppen ließ sie, zum Leidwesen ihrer Mutter, links liegen und ritt lieber mit ihrem wilden Pferd (naja, ein umfunktionierter Sägebock mit rotem Flokati) durch die Prärien ihrer mitteldeutschen Heimat. Pfeil und Bogen waren schon damals das Mittel der Wahl. Erst als die Scheibe im Holzstadel durch einen verirrten Pfeil zu Bruch ging, änderte sie die Richtung ihrer wilden Ritte! Vermutlich ist die Scheibe Jahrzehnte später noch immer kaputt und niemand weiß, wer´s war. Shit happens.

Heinz-Rüdiger spurte nicht wirklich. Das hatte er früher in einem anderen Leben schon mal kurzzeitig gemacht. In einem Verein als Springer und Krankheitsvertretung bei Wettkämpfen. Das hatte ihm schon damals nichts gegeben. Immer nur mit so einem Monster an Technik (Olympischer Bogen mit allerlei anmontierten Visieren und Stabilisatoren) auf 70m- und 90m-Scheiben schießen. Das war nicht seins.

Aber Heinz-Rüdiger tat alles für seine Chantal.

So schaffte sie es dann doch irgendwie, Heinz-Rüdiger zu einem "komm, das schauen wir uns mal an" zu überreden. Ab hier nahm das Übel seinen Lauf.


 

Der Anfang allen Übels

Wie es der Zufall wollte, befand sich dieser Schützenverein auch noch im Nachbargebäude des "Stammlokals" von Chantal und Heinz-Rüdiger. Theoretisch ein Glücksfall.

An einem lauen Frühsommerabend beschlossen sie, sich beim Wirt und den anderen Gästen nach einem möglichen Kontakt zum Schützenverein zu erkundigen. Schnell erfuhren die beiden, dass der zuständige Herr noch am selben Abend ebenfalls dort erwartet wurde. Geht doch.

Als er eintraf machte man sich bekannt. Oder anders ausgedrückt, dieses Gespräch war eher ein Monolog, in welchem der Herr sehr umfänglich seine Lebensgeschichte erzählte, über seine Berufserfahrung, seine Philosophie und vor allem über seine eigenen Qualitäten und Erfolge referierte. Nicht vergessen zu erwähnen hat er selbstverständlich die Tatsache, dass der Verein "sehr gut dasteht" und das überwiegend seinen Fähigkeiten zuzuschreiben war.

Chantal hing erst an seinen Lippen, ein wenig später eher in den Seilen und gegen Ende nur noch ihren eigenen Gedanken nach. Heinz-Rüdiger, wirklich kein geduldiger Zuhörer, versuchte, mit Zwischenfragen dem Redefluss Einhalt zu gebieten und mit den erwarteten, vielleicht interessanten Antworten, seine Chantal vor dem Wegdümpeln zu bewahren.

Es gelang ihm nicht wirklich. Chantal zählte Schäfchen.

Man könne sich das Bogenschießen gerne mal in einem Schnupperkurs von ihm zeigen lassen und er würde ihnen das schon beibringen. Dazu bräuchte es schließlich einen erfahrenen und zertifizierten Trainer mit Übungsleiterschein und und und und und - er hatte das alles.

Drei Bier später verblieb man dann auch so. Der Herr musste leider zu einem anderen Termin.

Heinz-Rüdiger hatte allein vom Zuhören trotz Bier einen trockenen Mund bekommen, Chantal war in ihrer eigenen Welt versunken.

Ziel verfehlt - aber was hatten sie denn erwartet? Dass einer sagt: "Freut mich, dass ihr euch für´s Bogenschießen interessiert. Kommt doch einfach mal an einem Sonntag vorbei. Da machen wir unsere Schnupperkurse, wir können dann mal drüber reden und ihr schaut euch das Ganze einfach mal an. Dann sehen wir weiter".

Eigentlich hatten sie das erwartet. Dafür wissen sie jetzt aber viel mehr. Anderes.


 

Chantal macht einen Schnupperkurs

Sie konnten es kaum erwarten und schon am nächsten sonnigen Sonntagmorgen, voller Erwartungen und guter Dinge, aber auch noch immer geplättet von der umfangreichen Selbstdarstellung des Bogengurus, machten sich Chantal und Heinz-Rüdiger auf den Weg ins Schützenheim. Die Erwartungen waren hoch, die Ehrfurcht groß.

Vor dem Areal Autos ohne Ende, viele Männer mit vielen Koffern, wenige mit Bögen, wenige Frauen. Neben vielen Männern in grün auch einige in Designerklamotten und direkt vom Laufsteg runter.

Heinz-Rüdiger schickte Chantal allein voraus ins Gebäude. Er hatte ein ungutes Gefühl und ohnehin keine wirkliche Lust. Aber wenn Chantal Lust hatte, begleitete er sie halt. Ein bisschen wenigstens. Er schaute sich derweil mal die Außenanlagen an. War ja schön draußen und noch niemand da.

Chantal traf im Gebäude auf den Erleuchteten. Nach einer Einführung in die baulichen Gegebenheiten der ehemaligen Kneipe und in die traditionsreiche Geschichte des Schützenvereins, bekam sie ein paar Bögen gezeigt. Lauter gleiche, zumindest für Chantal. Auf einen montierte der Herr dann die Schnur drauf und drückte ihn Chantal in die linke Hand. „Der hat 16 Pfund, der passt für dich“. Chantal fragte lieber nicht nach. Ich bin doch Rechtshänderin, dachte sie sich.

In einem ellenlangen, ausschweifenden Referat (das kannte sie ja schon), erklärte ihr der Herr, was er dann herumfummelte mit einem Stöckchen, einer Schnur und einem Stab mit Skala drauf. Währenddessen musste Chantal gymnastische Trockenübungen machen. Sie setzte, ob der Qualifikation des Herrn, voraus, dass das sicher seinen Sinn hatte. Aber welchen?

Dann folgte deutlich auswendig Gelerntes zum Thema Augen. Das hatte scheinbar etwas mit dem Zielen zu tun. Und auf Seite siebzehn des Referats angelangt, wusste Chantal dann wenigstens, dass sie zwei verschiedene Augen haben muss. Nur nicht, warum.

Das Referat war fast zu Ende. Deshalb ging´s nun wohl ganz schnell. Der Herr drückte ihr noch eine Plastikplatte mit Gummis dran und einen Handschuh mit nur drei Fingern in die Hand. Noch eine mit Panzertape umwickelte Papprolle samt Gürtel, wo er ein paar Pfeile reinsteckte.

Um sie herum knallte es auf allen Schießbahnen und sie war froh, endlich raus zu dürfen ins Freie. Bewaffnet bis an die Zähne ging´s zum Schießen.

Der Erleuchtete hatte sich mit der Papierrolle einer Registrierkasse bewaffnet und schritt zur 10m-Zielscheibe wo er einen Papierstreifen senkrecht befestigte.

Nun zeigte er Chantal das Anlegen der Plastikplatte und das Anziehen des Handschuhs. Auch wenn der nur 3 Finger hatte. Der tiefere Sinn erschloss sich Chantal aber nicht. Noch nicht.

Chantal wurde an der Schießlinie in die richtige Position dirigiert. „Und so stellst du dich hin. Das ist die Grundstellung“. Chantal tat, wie ihr geheissen, Bogen in der linken Hand. „Blick auf die Scheibe und schau, dass du im 90 Grad Winkel zu dem Streifen stehst. Wir schießen traditionell, wir zielen also nicht“.

Es wurde ernst.

Zwischenzeitlich hatte sich Heinz-Rüdiger unbemerkt angeschlichen und beobachtete das Geschehen. Er pendelte im Wartebereich zusammen mit den Opas, die ihre Enkel zum Schnupperkurs begleiteten. Neben Chantal waren weitere, offenbar schon länger Schnuppernde eingetroffen. Manche mit ähnlicher Ausrüstung, wie Chantal. Gleichgesinnte. Manche mit einem sichtbar neuen Täschchen, in welchem sich die Einzelteile befanden. Mit ganz neuen Köchern und schicken Pfeilen. Das hatte Heinz-Rüdiger früher alles schon mal gesehen. Hat denen denn keiner gezeigt, wie man die Teile zusammenbaut? Dem einen ganz sicher nicht. Seine Einzelteile und die Pfeile waren noch in Folie eingeschweißt. Wohl ein Schnäppchen-Komplett-Angebot aus dem Internet.

Wie beim schwedischen Möbelhaus. Drei Teile, ein paar Schrauben und ein Schnürchen. Leider keine Anleitung. Welches Teil gehört jetzt wo hin? Auch keiner da, den man fragen konnte. Der Erleuchtete war ja mit Chantal beschäftigt.

„Jetzt legst du mal einen Pfeil auf und nockst ihn ein. Alle drei Finger unter den Pfeil an die Sehne“. Ah, deshalb sah der Handschuh so aus. Das Ding aus der Papprolle raus gefummelt. Und jetzt? Es folgte eine sehr knappe Demonstration dieser wichtigen Handgriffe. Und es klappte. Kurz. Gefühlte 100 mal fiel dieser Pfeil immer wieder von dem Schniepel runter. „Du musst den Bogen senkrecht und ganz ruhig halten“. Das hat dem Pfeil niemand gesagt. Nur noch 50 mal.

Der Erleuchtete fummelte noch ein wenig am Schniepel herum. Siehe da, es klappte. „Jetzt schaust du über die Spitze, zielst auf den Streifen und ziehst die Sehne bis zu deinem Kinn. Und dann lässt du die Sehne los“. Treffer. Am Arm. Der Pfeil war auch irgendwo auf der Scheibe.

Die Sehne hatte sich auf Chantals Arm verewigt. Das wusste sie zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht. Aber das mit dem Bogen in der linken Hand schien wenigstens zu stimmen.

„So schießt man, du musst nur die Schulter ein wenig eindrehen“. Zweiter Versuch, zweiter Klatscher der Sehne an den Arm. Chantal wusste jetzt: Schulter weiter eindrehen! Aber es half nichts. Immer wieder das gleiche.

Das mit dem Arm musste ja wohl so sein, die anderen hatten ja auch alle so einen Schutz an. Das mit dem Treffen hat halt einfach noch nicht funktioniert. Lag es am Zielen? Der Erleuchtete sagte doch, „wir zielen nicht“ und später dann sollte sie über die Spitze „zielen“. Egal, das würde sie schon noch kapieren. Das mit den beiden unterschiedlichen Augen erschloss sich ihr auch noch nicht.

Zwischendrin mal die Pfeile einsammeln und die Sehne wieder an den Arm klatschen. Chantal dachte sich, dass es vielleicht doch besser sei, Rasenhalma zu spielen.

Heinz-Rüdiger sah Licht am Horizont. Unvermittelt kam der Erleuchtete als Retter in der Not für die neu eingetroffenen Schnupperer. Mit seiner Hilfestellung klappte es dann auch bei denen mit der Ausrüstung. Die ganz neuen erhielten dann die schon bekannte umfassende Einführung. Nur wer kümmerte sich jetzt um Chantal?

Heinz-Rüdiger leistete Chantal dann unvermittelt moralische Unterstützung und gab Tipps. Doch der Papierstreifen blieb unverletzt. Vom Erleuchteten war nichts mehr zu sehen und Chantal schoss dann, wie alle anderen, einfach vor sich hin. Niemand da, der aufpasste und den man fragen konnte. Auch kein Arzt.

Nach etwa 1 1/2 Stunden war Schluss für Chantal. Sie gab Bogen und Ausrüstung zurück. Ihr gesamter Arm war deutlich gerötet. Wo hatte sie die Sehne denn überall getroffen? Gab es keine längeren Plastikplatten? Es blieb ein Geheimnis, wie sie es vermeiden hätte können, konsequent neben dem Armschutz ihren Arm zu treffen. Auch das Treffen des Papierstreifens erschien ihr unerreichbar.

Am folgenden Tag war ihr linker Arm von der Mitte des Unterarms bis zur Hälfte des Oberarms blauschwarz gefärbt. Ein tolles „Bogentattoo“.

Ihre Euphorie jedenfalls hatte einen Dämpfer erhalten. Wollte sie wirklich einen derart schmerzhaften Sport ausüben?

Und wenn wir die Zeit dazu haben, geht´s vielleicht mal weiter

 

Muss leider sein
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